Kann man die Intensität des Hopfenaromas in gestopften Bieren vorhersagen? Für Brauer, die intensiv gehopfte Biere brauen, ist die Suche nach einer solchen Formel so etwas wie der heilige Gral. Die Berechnung der Hopfen-Dosage in Milliliter Öl pro Hektoliter statt in Gramm pro Hektoliter ist dabei längst nicht der Weisheit letzter Schluss. Zu bedenken ist auch, was wir zugrunde legen: Gesamtölgehalt oder Einzelsubstanzen? – Seit Ende der 70er Jahre wird dazu geforscht – mit Gaschromatografie (GC) und Sensorik.
Eine Studie von Dezember 2018, die Scott Lafontaine und seine Mitstreiter aus der Arbeitsgruppe von Tom Shellhammer in der Fachzeitschrift Brewing Science veröffentlich haben, wird in diesem Zusammenhang oft zitiert. Die Forscher von der Oregon State University haben sich zwei amerikanische Hopfensorten aus den Ernten 2015 und 2016 vorgenommen, Cascade und Centennial, gaschromatografisch analysiert und in einer standardisierten Kalthopfung verwendet. Ziel der Untersuchungen war es, herauszufinden, ob es mit GC messbare Aromastoffe gibt, die mit der Intensität des Hopfenaromas im fertigen Bier korrelieren. Insbesondere wurde dabei auch die These untersucht, ob es sortenspezifische Indikatoren für die Aromaintensität gibt. Die Analysen weisen auf eine Korrelation von Geraniol und Beta-Pinen mit den Intensitäten in den fertigen Bieren hin. Jedoch liegen die Korrelationswerte bei 0,5, was nach Meinung der BarthHaas-Geschmacksexperten ein nicht ausreichend belastbares Ergebnis darstellt.
Es ist schon oft versucht worden, eine Korrelation zu finden zwischen einzelnen Aromastoffen und Deskriptoren oder Intensitäten im fertigen Bier. Bisher leider vergebens. Was sich jedoch herauskristallisiert, sind Wechselbeziehungen zwischen sensorischen Eindrücken und Summenparametern, die sich beispielsweise auf die Bandbreite der Ester oder bestimmte Terpenoide im Hopfen beziehen. Aber die Annahme, dass sich Rückschlüsse vom Geraniolgehalt auf die Intensität des Rosenaromas ziehen lassen, ist irreführend. Auch für die These, dass es sortenspezifische Indikatoren gibt, liefert die genannte Untersuchung nach Ansicht der BarthHaas-Experten keine ausreichenden Beweise.
Überdies unterstützt die Studie die These, dass Einzelkomponenten aussagekräftiger sind als der Gesamtölgehalt. Dies ist nicht ganz von der Hand zu weisen: Denn beim Gesamtölgehalt fallen beispielsweise die Thiole überhaupt nicht ins Gewicht, weil sie in sehr geringen Mengen vorliegen. Gleichwohl sind sie sensorisch dominant. Da liegt es auf der Hand, dass der Ölgehalt nicht mit der Aromaintensität korreliert. Allerdings gilt deshalb der Umkehrschluss noch lange nicht, dass einzelne Aromastoffe besser korrelieren. Zumal die Stoffe, die diese These belegen könnten, wie die genannten Thiole, in diesem Forschungsprojekt nicht berücksichtigt wurden.
Für die Praxis sind die Erkenntnisse aus dieser Studie nicht relevant. Zum einen wäre es für Brauereien viel zu aufwendig, jede Hopfencharge gaschromatografisch zu analysieren, um daraus Folgerungen für die Dosage zu abzuleiten. Zum anderen lassen sich aus dem angewandten standardisierten Verfahren keine Rückschlüsse auf die eigene Produktion ziehen. Denn neben Alkoholgehalt, Gär- und Lagertemperatur spielen ja auch Form und Größe der Tanks, statisches oder dynamisches Verfahren sowie die Dauer der Kalthopfung ein Rolle für den Flavor im fertigen Bier. Mal ganz abgesehen, von äußeren Einflüssen wie Jahrgangsschwankungen, Erntezeitpunkt, Anbaugebiet – all das hat große Auswirkungen auf das Aroma des Hopfens. So viele Faktoren spielen hier rein, die es den Brauereien unmöglich machen, die Hopfenaromaintensität vorherzusagen.
Dennoch sind Studien wie diese wichtig, um das Feld abzustecken und herauszufinden, welche Parameter ausschlaggebend sein könnten. Und was die Analytik betrifft, so geben die Fortschritte der letzten Jahre Hoffnung, dass wir in vielleicht einer Dekade schon so weit sind, dass wir mehr Einzelkomponenten und Stoffgruppen analysieren können, die tatsächlich einen signifikanten Einfluss auf die Aromaintensität im fertigen Bier haben. Dieses Wissen könnten wir dann nutzen nicht nur in der Produktion sondern auch in der Züchtung, um das aromatische Potenzial einer Sorte zu erkennen, im Anbau, um den richtigen Erntezeitpunkt zu bestimmen und in der Hopfenverarbeitung um Prozesse und Produkte zu definieren.
Was bleibt den Brauerinnen und Brauern bis dahin, um sich ihrem „heiligen Gral“ zu nähern? – Der Gesamtölgehalt ist nach wie vor ein wichtiger Richtwert. Man sollte jedoch bedenken, dass je nach Sorte 50-70 Prozent davon allein auf die Myrcene entfallen, die aufgrund ihrer Flüchtigkeit nicht ins Bier eingehen und deshalb für den Geschmack irrelevant sind. Eine Faustregel ist daher: Gesamtölgehalt minus Myrcengehalt ergibt den Stoffeintrag, der das Aroma ins Bier bringt. Solche Summenparameter geben zumindest einen Anhaltspunkt, wie intensiv der Hopfen-Flavor im fertigen Bier ausfallen könnte.
Wer tiefer in die Materie einsteigen möchte, findet den wissenschaftlichen Beitrag über die Studie hier:
S. R. Lafontaine, C. B. Pereira, D. M. Vollmer and T. H. Shellhammer: The Effectiveness of Hop Volatile Markers for Forecasting Dry-hop Aroma Intensity and Quality of Cascade and Centennial Hops, BrewingScience, 71 (November/December 2018), pp. 116-140 (DOI: 10.23763/BRSC18-19LAFONTAINE)
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