Unter Alkoholeinfluss verhält sich manches anders. Das lässt sich bei Erwachsenen gut beobachten und, wenn auch seltener, bei Haustieren ebenso. Auch bei der Kalthopfung?
Spaß bei Seite. Der Frage haben sich Sandro Cocuzza, Sandra Gmeinwieser (beide Hopsteiner), Kathrin Helmschrott (TU München Weihenstephan), Frank Pfeifer (Hopsteiner) sowie Martin Zarnkow (Research Center Weihenstephan for Brewing and Food Quality) in einer Pilotstudie angenommen. Sie wollten herausfinden, welche Hopfeninhaltsstoffe bei unterschiedlichen Alkoholkonzentrationen in Lösung gehen und in welchem Ausmaß.
Das Thema ist gerade deshalb so interessant, weil die Trendwelle der alkoholarmen und -freien Biere unaufhörlich weiter rollt, Erfahrungen mit Kalthopfung jedoch hauptsächlich im Zusammenhang mit höheren Alkoholgehalten vorliegen. So setzte sich das Dry-Hopping in den USA mit dem Aufstieg der Double IPAs (7,5–10 Vol.-%) ab Mitte der 90er durch. Wir kommen also von einem starken Alkoholeinfluss und dürfen nun herausfinden, wie sich die Kalthopfung bei mehr Mäßigung verhält.
Ein solches Wissen ist insbesondere für die Rezeptentwicklung von Nutzen. Zum einen werden immer mehr Bierstile in alkoholfreier Variante angeboten, so auch kaltgehopfte wie das India Pale Ale (IPA) oder das New England India Pale Ale (NEIPA) und die vielen Varianten, die unter die Kategorie „Juicy & Hazy“ fallen. Zum anderen kann die Kalthopfung den sensorischen Gesamteindruck eines jeden alkoholarmen oder -freien Biers heben. Zu guter Letzt ist dieses Wissen auch geeignet, der Entwicklung von Produkten im alkoholfreien Segment neue Impulse zu geben.
Wie Alkohol und Hopfen ganz generell zusammenwirken, ist teilweise aus Studien und aus der Praxis bekannt. So ist Ethanol ein effektives Lösungsmittel für die hydrophoben Bestandteile des Hopfens, eine Eigenschaft, die beispielsweise bei der Herstellung von Hopfenextrakten Anwendung findet. Außerdem hat die Alkoholkonzentration einen Effekt auf die sensorische Wahrnehmung. Dies betrifft unter anderem die Wahrnehmung verschiedener flüchtiger und nicht-flüchtiger Inhaltstoffe, orthonasale Effekte sowie den Eindruck von Süße, Körper und alkoholischer Wärme – um nur einige Beispiele zu nennen.
Versuch im kleinen Maßstab
In ihrer Pilotstudie haben die Wissenschaftler sich eines entalkoholisierten Weißbieres bedient, dieses stufenweise mit Ethanol versetzt und so auf verschiedene Alkoholkonzentrationen gebracht. Die verschiedenen Konzentrationsstufen haben sie nach einem standardisierten Verfahren kaltgehopft und dann die Inhaltsstoffe analytisch gemessen. Da es sich um einen Versuch im Labormaßstab handelt, lassen sich die Ergebnisse nicht 1:1 auf eine industrielle Produktion übertragen. Dennoch gibt die Studie gute Anhaltspunkte, welche Stoffgruppen bei welchen Alkoholgehalten in Lösung gehen.
Löslichkeit unter Alkoholeinfluss
So erweist sich im Rahmen des Maßstabes, dass keine Veränderungen bei der isomerisierten Alphasäure (IAA) und bei den Humulinonen auftreten. Hingegen zeigt sich mit zunehmendem Alkoholgehalt ein Anstieg von Xanthohumol (XN) und der (nicht-isomerisierten) Alpha- und Betasäuren (AA und BA) und damit auch eine Zunahme der IBUs. Zweifelsohne steigt die Löslichkeit der hydrophoben AA, BA und XN bei zunehmender Alkoholkonzentration. Hingegen hat Alkohol wenig bis keinen Effekt auf die Löslichkeit der Polyphenole sowie auf den pH-Wert und die Schaumstabilität in den kaltgehopften Bieren.
Was mit steigendem Alkoholgehalt jedoch zunimmt, sind die Konzentrationen von Mono- und Sesquiterpenen. Beide Stoffgruppen lösen sich mit steigendem Alkoholgehalt erheblich besser. Hingegen bleiben Terpenalkohole wie Linalool und Geraniol bei steigender Alkoholkonzentraion auf ähnlichem Niveau. Das bedeutet, dass sie allgemeinhin über eine gute Löslichkeit verfügen, auf die eine Zunahme der Alkoholkonzentration keinen zusätzlichen Einfluss ausübt. Demgegenüber konnte durch einen höheren Alkoholgehalt die allgemein gute Löslichkeit der Ester zusätzlich gesteigert werden. Wobei dies nur bis zu einer bestimmten Grenze möglich war, über die hinaus ein weiter ansteigender Alkoholgehalt keine signifikante Veränderung bewirkte.
Bedeutung für alkoholfreie Biere
Zwar trifft die Studie keine Aussagen über die Sensorik, dennoch lassen die analytischen Daten Rückschlüsse auf die aromatischen Eindrücke zu:
Durch den geringen Alkoholgehalt liegt es nahe, dass der Bittereindruck eines alkoholfreien Bieres bei gleicher Kalthopfungsgabe weniger ausgeprägt ist als bei einem alkoholhaltigen Bier.
Die gutlöslichen Ester, die für Fruchtnoten zuständig sind, entfalten auch im alkoholfreien Kaltegehopften ihre Wirkung. Zudem bekommen sie Verstärkung durch die floralen Terpenalkohole, die nahezu alkoholunabhängig in Lösung gehen. Hingegen ist die Löslichkeit der Mono- und Sesquiterpene alkoholbedingt. Das heißt, dass das krautige und gewürzige Aromenspektrum, das diesen Stoffgruppen zugeschrieben wird, bei alkoholfreien Kaltgehopften gar nicht groß zum Zuge kommt. Damit ist auch ein zweiter Effekt ausgeschlossen: Mono- und Sesquiterpene haben in alkohlfreien Bieren keine Chance, die fruchtigen Noten zu überlagern und zu unterdrücken. Das heißt, das fruchtig-florale Aromenspektrum kann sich in alkoholfreien kaltgehopften Bieren ungehindert entfalten.
Somit können Brauer davon ausgehen, dass sie trotz des fehlenden Alkoholgehaltes in alkoholfreien Bieren ein fruchtig-blumiges Hopfenaroma erzeugen können.
Wer tiefer in die Materie einsteigen möchte, findet den ganzen Artikel in der Zeitschrift Brewing Science* und dazu einen aktuellen „Hopfenklang- Podcast“**. Und wie immer: Beratung in allen Hopfenangelegenheiten sowie Unterstützung bei der Optimierung oder Entwicklung von Rezepten gibt das Brewing Solutions Team von BarthHaas.
*S. Cocuzza, S. Gmeinwieser, K. Helmschrott, F. Peifer and M. Zarnkow: How alcohol content in dry-hopped beer affects final beer composition – a model study, BrewingScience, 75 (May/June 2022), pp. 44-53 (DOI: 10.23763/BrSc22-06cocuzza)
**https://hopfenklang.podigee.io/6-alkoholgehalt
HOPFENKLANG
… der Podcast von BarthHaas und BRAUWELT: Jeden Monat sprechen Hopfen-Experten aus dem Haus BarthHaas gemeinsam mit BRAUWELT-Chefredakteurin Dr. Lydia Junkersfeld über praxisrelevante technologische Neuigkeiten rund um das grüne Gold.