An Ernteschwankungen bezüglich Menge und Zusammensetzung des Hopfens müssen wir uns gewöhnen. Dass es sich dabei nicht nur um triviale Abweichungen von der Durchschnittsernte handelt, die Brauer durch gewiefte Änderungen der Dosage wettmachen, wird uns erst jetzt so richtig klar. Die Herausforderung ist viel größer: Die Versorgungssicherheit steht auf dem Spiel. Brauereien sind aufgerufen, jetzt zu handeln und gemeinsam mit BarthHaas und den Hopfenpflanzern diese Herausforderung als Chance für nachhaltige Veränderungen zu nutzen.
Gute Zeiten, schlechte Zeiten
Betrachten wir die vorangegangenen Ernten, dann könnten die Unterschiede nicht krasser sein. 2021 brachte leicht überdurchschnittliche Alphawerte gepaart mit einer erhöhten Intensität und viel Ausdruck im Hopfenaroma. Die Wachstums- und Erntebedingungen waren 2021 für den deutschen Hopfen gut. Ganz anders das Erntejahr 2022: Seit 2003 hatten wir nicht so eine schlechte Hopfenernte. Es war zu heiß und zu trocken. Insbesondere Deutschland war betroffen: Auf 20.604 Hektar Anbaufläche wurden von den erwarteten 46.500 Tonnen Hopfen nur 34.500 Tonnen erzielt. Ein Defizit von 26 Prozent! Die geerntete Alphamenge von geschätzten 3440 Tonnen wich sogar um minus 32 Prozent von einer Durchschnittsernte ab. Das bedeutet wir hatten ein Drittel weniger Ausbeute!
Extrem wechselnde Witterung
Und in diesem Erntejahr? – Die endgültigen Zahlen liegen noch nicht vor. Dass auf eine schlechte Ernte eine weitere folgt, konnte keiner ahnen. Dabei war in diesem Jahr nicht mal die Hitze allein das Problem, sondern die wechselnde Witterung: Es war zu Beginn der Vegetationsperiode zu feucht, während der Blütezeit zu trocken und gegen Ende wieder zu feucht. Somit prognostiziert der Verband der Deutschen Hopfenpflanzer, dass die Hopfenernte auch 2023 unter dem Durchschnittswert liegen wird. Wir haben es zunehmend mit extremen Witterungsschwankungen zu tun, die den Hopfen unter Stress setzen und negative Auswirkungen auf Menge und Ausbeute haben.
Alte Landsorten im Visier
Es sind vor allem die alten Landsorten wie Hersbrucker, Hallertauer Mittelfrüh, Saazer und der Saazer Formenkreis mit Tettnanger, Spalter und Lubelskie, die den wechselnden Bedingungen nicht gewachsen sind. Auch Zuchtsorten wie Perle aus den 70er Jahren, die auf eine verbesserte Resistenz gegen Schädlinge und Krankheiten hin gezüchtet wurden, kommen mit wechselnden Witterungsbedingungen und insbesondere mit Hitze und Trockenheit nicht zurecht. Hier ein paar Beispiele aus der Ernte 2022: Die Sorte Perle erzielte statt der erwarteten 365 Tonnen Alpha nur ca. 160 Tonnen. Das sind nur 43 Prozent der erwarteten Alphamenge. Die Sorte Herkules schnitt hier etwas besser ab und erzielte statt der erwarteten 3034 Tonnen nur geschätzte 2164 Tonnen Alpha. Das sind immerhin noch 71 % der erwarteten Alphamenge. Die tschechische Sorte Saaz lag mit einem Alphagehalt von 3,0 Prozent zwar nah am Durchschnitt (3,1 %), konnte jedoch aufgrund von Mengeneinbrüchen (-45 %) nur eine Alphaproduktion von 33 Prozent des Vorjahres erzielen.
Risiko Hopfen
Es wird also deutlich, dass die vorwiegend in Lagerbieren verwendeten Sorten gefährdet sind. Diese Hopfensorten spielen eine bedeutende Rolle in der Herstellung von deutschen Bieren weltweit und bilden die Grundlage des deutschen Hopfenanbaus. Es ist daher keine Kleinigkeit, dass diese Sorten nun zu einem Risiko geworden sind - ein erhebliches Risiko für Brauereien in Bezug auf die Versorgungssicherheit und ein existenzielles Risiko für den Hopfenanbau, da die Ertragsstabilität schwindet. Eins ist klar: Das Risiko für die Pflanzer lässt sich nicht durch Preissteigerungen ausgleichen. Wir haben es mit einem strukturellen Problem zu tun, das wir nur gemeinschaftlich lösen können. Die Mitwirkung der Brauereien ist dabei von großer Bedeutung. Für diesen Zweck hat BarthHaas ein spezielles Tool zur Risikoanalyse entwickelt, das Brauereien dabei unterstützt, ihr individuelles Risiko zu identifizieren.
Neue Sorten sind der Schlüssel
Jüngere Sorten wie Mandarina Bavaria und Callista erweisen sich bei wechselnden Wetterlagen als deutlich stabiler. Dies liegt daran, dass in diese Neuzüchtungen amerikanische Sorten reingekreuzt sind, die mit Hitze und weniger Wasser zurechtkommen. So auch die Neuzüchtungen Tango und Titan, die in diesem Jahr Erträge auf noch kleiner Anbaufläche einbringen.
Tango – Aroma und Alpha
Tango führt einige Vorteile ins Feld. Die Kreuzung aus Cascade/Hallertauer Tradition mit Hüller Aromalinien hat einen kraftvollen und homogenen Wuchs und kompakte Dolden. Die Pflanze verfügt über eine hohe Nährstoffeffizienz. Sie ist robust und kann Hitze- und Trockenperioden gut kompensieren, kommt daher mit wenig oder gar ohne Bewässerung und Düngung aus sowie mit einem geringeren Einsatz an Pflanzenschutzmitteln. Dabei sind Öl- und Alphagehalt der Dolden sowie der Ernteertrag pro Pflanze hoch.
Das Aromaprofil zeichnet sich durch ausgeprägte Noten von süßen Früchten wie Maracuja, Zitrusfrüchte wie Grapefruit sowie beerenartige und blumige Eindrücke aus und bietet daneben auch Noten aus dem grün-grasigen, dem gewürzigen, krautigen und holzaromatischem Spektrum. Genau wie Mandarina Bavaria und Callista hat Tango aromatisch von allem etwas zu bieten und ließe sich durch geschickte Gaben und in Kombination mit weiteren Sorten oder Hopfenprodukten auch in ein klassisches Lagerbierprofil integrieren.
Neue Hoch-Alpha-Lieferantin
Als Kreuzung aus Polaris/ Herkules mit einem männlichen Hüller Zuchtstamm verfügt die neue Hoch-Alpha-Sorte Titan ebenfalls über gute agronomische Eigenschaften:
Hohe und stabile Alphawerte; der große Wurzelstock garantiert eine gute Wasser- und Nährstoffaufnahme auch aus tieferen Bodenschichten; die zylindrische Rebe mit mittlerer Wüchsigkeit liefert ein günstiges Verhältnis von Dolden zur Pflanze. Alles in allem wird Titan ein hohes und stabiles Ertragspotenzial zugeschrieben mit Alphawerten, die im Durchschnitt sogar über der Sorte Herkules liegen. Aromatisch deckt Titan bei mäßiger Intensität das gesamte Spektrum ab mit einer Betonung in den Bereichen Gewürze, süße Früchte, Zitrusnoten, Holzaromatisches und Blumiges. Mit diesen Eigenschaften dient sich die neue Hoch-Alpha-Sorte als Alternative für Perle und Herkules an.
Der Umstieg ist der Ausstieg
Um aus dem Risikoszenario auszusteigen und die eigene Versorgung sowie den Ertrag des deutschen Hopfenanbaus nachhaltig zu sichern, sind Brauereien nun gefordert auf neue Sorten umzusteigen. Das Risikoanalyse-Tool, zusammen mit dem dazugehörigen Whitepaper, das von BarthHaas zum Download bereitgestellt wird, bildet einen idealen Ausgangspunkt zur Identifikation von Risiken und zur Umsetzung entsprechender Risikominimierungsstrategien.
Wir ermutigen Brauereien, dass sie jetzt die Rezepturen ihrer Flagship-Marken einer Revision zu unterziehen und systematisch nach und nach die alten Hopfensorten durch neue ersetzen. Das Brewing Solutions Team von BarthHaas berät Brauerinnen und Brauer gern bei dieser Aufgabe.
Nachhaltige Chance für alle
Apropos nachhaltig: Wie die agronomischen Eigenschaften bereits anzeigen – wenig Input (Wasser, Düngung, Pflanzenschutz), hoher Output (hohe Erträge), sind die neuen Züchtungen auch im Bereich Umwelt- und Klimaschutz die richtige Alternative. Umso mehr, wenn man weiß, dass die Pflanzer an nachhaltigen Anbaumethoden arbeiten wie beispielsweise effiziente Bewässerungskonzepte, die das Grundwasser weitestgehend schützen, oder Versuche mit Zwischenfruchtanbau, um Aufbau und Zusammensetzung der Böden zu verbessern.
Wenn alle an einem Strang ziehen, kann das Risiko der Hopfenversorgung schnell zur Chance für alle werden. Ergreifen wir sie gemeinsam!