Zuerst schauten Brauer über den Rand ihrer Kessel in die Gärten und Keller von Winzern – möglicherweise inspiriert von dem ikonischen „Midas Touch“, ein Bier 1999 von der amerikanischen Brauerei Dogfish Head herausgebracht, gebraut nach antikem Vorbild mit Gerste, Trauben und Honig. Seit den 2000er Jahren erkundet die Brau-Szene die Schnittmenge von Bier und Wein, entwickelt Rezepte und Technologien und verwendet für ihre Brauinnovationen Most, Trauben oder Trester.
Die Zugaben erfolgen zu verschiedenen Zeitpunkten während der Biergärung, -lagerung oder -reifung – manchmal in Weinfässern. Die Herstellung dieser sogenannten Bier-Wein-Hybride haben italienische Brauereien zur Meisterschaft gebracht. Sie haben das Italian Grape Ale (IGA) zum nationalen (und internationalen) Bierstil erhoben, der 2015 Eingang in die BJCP-Guidelines fand.
Zu den größten Herausforderungen gehört dabei, ein IGA aus einem extrem gehopften Basisbier herzustellen – müssen sich Hopfen- und Traubenaromen doch gekonnt ergänzen, Süße, Säure und Bittere harmonieren. Ein besonders gelungenes Beispiel dafür war das 2019 erschienene „West Coast IGA“ von Stone Brewing Berlin und Birrificio Lambrate: Most von italienischen Malvasia-Bianca-Trauben im Bier vereint mit den amerikanischen Hopfensorten Citra, Mosaic und Enigma lieferten ein vollendet fruchtiges Bouquet mit deutlichen weinartigen Anklängen, erfrischendem Säurespiel und brillant geschliffener Bittere.
Mittlerweile fließt die Inspiration auch entgegengesetzt: Winzer erweitern ihren Horizont und schauen den Brauern einige Techniken ab: Vor allem die Kalthopfung, wie etwa in „A Glimmer of Hops“ vom burgenländischen Weingut Weninger, ein mit Wildhopfen während der Gärung und in der Amphore kaltgehopfter, direkt-gepresster Blaufränkisch. Als weitere interessante Beispiele seien genannt „Hurra Gehopfter“, ein kaltgehopfter Riesling von der Wein- und Sektmanufaktur „Hurra Craftweine“ in Geisenheim, „Hop and Grape“, ein kaltgehopfter Sauvignon Blanc von Daniel Mattern aus Mettenheim und der gehopfte Chardonnay von Nachmelené aus der tschechischen Republik.
Noch sind diese Hopfen-Wein-Hybride ein junges Phänomen, das – ähnlich wie gehopfter Cider oder Met – den Markt für neue spannende alkoholische Getränke eröffnet. Sensorisch und technologisch liegen die Herausforderungen hier ähnlich wie beim „West Coast IGA“ von Stone/Lambrate. Balance und Feinschliff des Geschmacks kann bisher nur durch akribische Entwicklungsarbeit im Brauhaus respektive Weinkeller erreicht werden. Zu wenig ist bekannt über das Zusammenspiel von Hopfen und Wein.
Die Sorten sensorisch aufeinander abzustimmen, ist das eine. Viel unvorhersehbarer ist die Biotransformation. Je nach Hefeart kann die Gärung Geschmäcke aus Trauben und Hopfen verändern oder verstärken – wie im Bier so im Wein. Die Freisetzung von fruchtigen Thiolen durch Beta-Lyase spielt dabei ebenso eine Rolle wie die Freisetzung von glycosidisch gebundenen, blumigen und zitrusartigen Terpenalkoholen oder reduktive Reaktionen, beispielsweise die Umwandlung von Geraniol in Beta-Citronellol.
Einen Überblick über den Stand der Wissenschaft zum Thema Biotransformation in der Getränkeproduktion liefert ein Beitrag von Svedlund, Evering et al. in „Applied Microbiology and Biotechnology“. Generell kann ein größeres Verständnis von Biotransformation dazu beitragen, geschmacklich konsistente Getränke zu produzieren und darüber hinaus den Produktionsprozess nachhaltiger zu gestalten. Das BarthHaas Brewing Solutions Team beschäftigt sich längst mit dem Thema und steht Winzern gern beratend zur Seite. Hopfen und die Kalthopfung haben die Bierwelt revolutioniert. Wir helfen gern, dass sie auch die Wein-, Cider- und Met-Welt nachhaltig verändern.